Früher ging es doch auch! Diese Antwort hört man häufig, wenn Bewohner mit Feuchte- und Schimmelproblemen auf die Lüftung angesprochen werden. Ist denn ein scheinbar einfacher Vorgang heute wirklich so problematisch geworden? Funktionierte Lüftung gestern anders als heute? Oder ist es eine neue Sparsamkeit, die die Probleme schafft? Sind gar die gedämmten Häuser schuld?
Lüften mit weit geöffnetem Fenster
Lüften lernen ist kein Schulstoff, und Kinder lernen von den Eltern. Und die wiederum… Lüftung funktionierte früher tatsächlich besser, automatischer als heute. Daher bestand kein Anlass dies als Lernaufgabe in den Stoff aufzunehmen. Aber was war anders?
Der Hauptteil des Luftwechsels vollzog sich im Winter ohne eigenes Zutun, ganz unbemerkt, immer – zu den undichten Fugen der Fenster hinein und über den Schornstein des Kachelofens hinaus. Das war eine im Winter hervorragend funktionierende Zwangslüftung. Damit es nicht ganz so arg zog, wurden Tücher und Decken vor die Fensterfugen gelegt
Es waren weniger Wasserdampfquellen vorhanden – es wurde seltener geduscht, Waschen und Trocknen fanden im Waschhaus statt. Einscheibige Fenster mit schlechter Wärmedämmung wirkten wie Entfeuchter; es gab Eisblumen und Kondensatsammelkästen. Die hohen Oberflächentemperaturen der Einzelöfen führten zu einem vergrößerten Anteil Wärmestrahlung bei oftmals geringerer Lufttemperatur – kalte Wände profitierten davon.
Fenster wurden aus Erfahrung und Gewohnheit geöffnet, z.B. morgens oder nach dem Baden. Mindestens eine Person war meist zu Hause und konnte die Fenster öffnen und schließen.
Gelüftet wurde auch, wenn irgend etwas nicht stimmte – Gerüche vom Kochen, Qualm beim Ofen anzünden…
Zentralheizungen mit raumluftunabhängig betriebenen Brennwertgeräten, sowie Türen und Fenster mit doppelt und dreifach liegenden Dichtungen, bringen die natürliche Be- und Entlüftung zum Erliegen. Teppiche aus synthetischen Fasern, raumhoch geflieste Bäder, kunststoffbeschichtete Möbel und Tapeten verringern die Flächen, die früher den Wasserdampf zwischen speichern konnten. Wellnessoasen in der kleinen Wohnung, subtropische Pflanzen, Aquarien führen zum Mehrfachen der Wasserdampfbelastung früherer Tage.
Mit dem Wegfall des natürlichen Lüftungsantriebs durch zunehmende Abdichtung und durch den Zuwachs an Wasserdampfquellen verschlechterte sich die Raumluftqualität. Durch die Zunahme von Emissionsquellen werden außerdem mehr Schadstoffe freigesetzt. Und das verlangt aktives Lüften als einen notwendigen Vorgang zu begreifen. Für die dabei erreichte Wirkung (Luftwechsel) spielt die Häufigkeit, die Dauer und die Intensität der Lüftung die entscheidende Rolle.
Selbstwahrnehmung und Realität - Es wird zu selten gelüftet!
Ingenieure haben im Auftrag von AS-Öko-Haus bei von Feuchtigkeit und Schimmelbildung betroffenen Mietern und Eigentümern einige hundert Messungen der Luftfeuchte, verbunden mit der Aufzeichnung der Lüftungshäufigkeit vorgenommen. Das Ergebnis war eindeutig: Es wurde im Mittel zu selten, und wenn, dann meist zu lange gelüftet. Dabei ist bemerkenswert, dass die Aufzeichnungen zur Lüftungshäufigkeit mit der eigenen Wahrnehmung oft nicht übereinstimmten. In der Regel waren Betroffene überzeugt davon, eigentlich alles richtig gemacht, d.h. ausreichend oft gelüftet zu haben. Doch die Aufzeichnungen zeigen das Gegenteil. Die folgenden Diagramme einer Messstelle (Schlafraum) zeigen beispielhaft, dass lediglich einmal am Tag mit weit geöffnetem Fenster gelüftet wurde. Die relative Luftfeuchtigkeit stieg in jeder Nacht auf Werte zwischen 60% und 70%. Bei gering gedämmten Außenwänden und den damit verbundenen niedrigen Oberflächentemperaturen, ist nicht nur schlechte Luft sondern auch ein Schimmelwachstum nahezu unausbleiblich.
Kurvenverlauf bei optimaler Lüftung
Optimale FensterlüftungBei optimaler, aktiver Lüftung mit Fenstern wird immer dann gelüftet, bevor die Luftfeuchte im Raum sich dem ursprünglichen Wert zu nähern beginnt. Bleibt es dann bei einem intensiven, kurzen Luftwechsel und hat die eingeflossen kühlere Luft die Chance sich aufzuwärmen, kann, über den Tag verteilt, das Aufschaukeln der Luftfeuchtewerte auf über 55% vermieden werden. Das gelingt aber nicht jeden Tag. Vor allem wenn die Außenlufttemperatur bei Regenwetter steigt, hat man auch mit einem ausgeklügelten Lüftungsprogramm keine Chance. Dennoch ist es möglich, an den meisten kühlen Tagen die Feuchtigkeit auch unter ungünstigen Außenluftbedingungen bei 55% bis maximal 60 % zu halten. Eine große Hilfe ist dabei ein rasch reagierendes Hygrometer.
Weshalb die Kippstellung vermieden werden sollte
Kipplüftung vermeiden!
Lüften mit der Kippstellung ist eine weit verbreitete, aber dennoch ungeeignete Art der Fensterlüftung. Sie bringt nur einen ungenügenden Luftwechsel und erhöht die Heizkosten.
Kalte Luft (blau) fällt auf das Thermostatventil, wodurch es sich öffnet. Der Heizkörper erwärmt sich unnötig. Das geschieht selbst bei manuell geschlossenem Ventil in der Frostschutzstellung (öffnet bei etwa 7°C).
Vom Heizkörper steigt erwärmte Luft auf. Die erwärmte Raumluft hat das Bestreben den Raum zu verlassen. Sie entweicht über den relativ weit geöffneten, oberen Teil des gekippten Fensters.
Ein Teil der einströmenden kalten Luft wird von der aufsteigenden Luft nicht erfasst, fällt zu Boden und bildet eine unangenehme Kaltluftschicht.
Die Lüftungsintensität (Luftaustausch in bestimmter Zeit) ist bei der Kippstellung sehr gering. Man wird daher sehr lange in dieser Stellung lüften müssen, um bis in die Tiefe des Raumes einen ausreichenden Luftaustausch herbeizuführen.
Die Kippstellung im Wärmebild
“Fahnenbildung“ durch entweichende Warmluft bei einem auf Kipp stehenden FensterDurch Kipplüftung beeinflusstes WärmebildWärmebilder von Außenwänden, bei den Fenster gekippt sind, zeigen die sehr typische „Fahnenbildung“. Sie entsteht durch das Entweichen warmer Raumluft. Erkennbar ist die starke Erwärmung der Wandoberflächen oberhalb der Fenster und die damit verbundene Energieverschwendung.
Im Durchzug oder mit weit geöffnetem Fenster
Lüftungsdauer bei verschiedenen Methoden (Grafik: Energieagentur NRW)Wenn es möglich ist, im Durchzug zu lüften, kann schon nach etwa zwei Minuten das Fenster wieder geschlossen werden. Doch Vorsicht! Lüften sie niemals von einen wärmeren in Richtung eines kälteren Raumes. Sonst verschleppen Sie Raumluft höherer Temperatur, die mehr Wasserdampf enthält, in kälter Räume. Dadurch kann es zu dem unerwünschten Effekt kommen, dass überschüssiger Wasserdampf im kälteren Raum kondensiert (Anzeiger: Spiegel). Wie sie sehen, ist die Lüftungsdauer mit gekippten Fenstern völlig unakzeptabel. Es kommt dabei nur zu einer drastischen Auskühlung der fensternahen Bereiche, auf denen später Wasserdampf kondensieren kann.
Vom Wärmebild zur Luftwechselrate
Auffällige Wärmebrücken, die mit einer Wärmebildkamera sichtbar gemacht werden, zeigen auch potentielle Probleme an, die durch Lüftungsmängel entstehen können. So sind Wärmebrücken, wie sie bei einer Außenwandecke schlecht gedämmter Wände vorliegen, Ursachen für Durchfeuchtungs- und Schimmelprobleme, wenn die Luftwechselrate nicht dem Bedarf entspricht.